The Young `Uns – Kulturhaus Lüdenscheid 28.10.2023

Deutschland kannten sie bisher nur von einigen Shanty-Festivals. Der Auftritt in Lüdenscheid war für die Young ‘Uns aus Nordengland der erste mit eigenem Programm. Und wohl nur beim „Folkpack“ hätte eine solche Premiere gleich vor mehreren hundert Leuten stattfinden können.

Die deutschlandweit bekannte Veranstaltungsreihe wurde auch diesmal ihrem guten Ruf gerecht. Dabei machen es sich Sean Cooney, David Eagle und Michael Hughes nicht einfach, wenn sie einen ganzen Abend fast ohne Begleitung nur mit ihren Stimmen bestreiten.

 Ihr Handwerk als Sänger und Entertainer haben sie in ihrem heimatlichen Folkclub erlernt, wo sie erstmals traditionelle Musik des eigenen Landes hörten. Die Erfahrung, dass man in der eigenen Sprache und über die eigene Region singen könne, war vor zwanzig Jahren der Wendepunkt für sie. Auch auf der großen Bühne geben sich die Young ‘Uns optisch unauffällig als die Jungs von nebenan, Stargehabe ist ihnen völlig fremd.

Sean Cooney bekannte im Gespräch, er habe zunächst gar nicht vorgehabt, eigene Lieder zu schreiben. Er legte sich zunächst ein großes Repertoire an traditionellen Songs zu, was man in seinen eigenen Stücken deutlich hört. Dann entdeckte er sein späteres Vorbild Graeme Miles, der eine große Zahl an Songs über die Region an Tyne und Tees verfasst hatte. 

Cooneys Methode ist, aktuelle Geschehnisse in Liedform zu bringen und eine Art moderne Balladen zu schaffen. Über Persönliches in der Ich-Form zu schreiben, ist seine Sache nicht. Er drückt in Geschichten aus, was ihm am Herzen liegt. Dabei widmet er sich unbesungenen Helden wie dem Arzt David Nott, der in Aleppo einem ISIS-Kämpfer trotz Bedrohung durch Bewaffnete mit einer OP das Leben rettete, oder Richard Moore aus Derry, der mit zehn Jahren durch ein Geschoss sein Augenlicht verlor und viel später dem Soldaten persönlich seine Vergebung aussprach, der es abgefeuert hatte.

Aus solchem Stoff ist ihr aktuelles Album Tiny Notes, das wegen der textlichen und musikalischen Qualität den Preis der deutschen Schallplattenkritik erhielt. Der Abend in Lüdenscheid hätte also traurig-ergreifend ausfallen können, aber das Trio hatte ein sehr gemischtes Programm vorbereitet, und die spontanen Einwürfe von Comedy-Talent und Body-Percussionist David Eagle ließen keinen Trübsinn aufkommen. Vielleicht wollte man das Publikum aufgrund der Sprachbarriere auch nicht überfordern.

Der Folkclub-typische kraftvolle Gesang passt bestens zu Shanties, von denen mehrere zu hören waren. Die Selbstbeschreibung „3 brass lunged big hearted folk singers” auf Facebook gibt den passenden Eindruck. Zwei Familienbands aus dem englischen Norden nennt das Trio als Einflüsse für seinen a cappella-Gesang: die Watersons und die Wilsons.

Für manche Stücke wechselten die Drei von den Einzelmikros zu einem Halbkreis um das Retro-Mikro, was den intimen Eindruck verstärkte. Von seinen guten Fertigkeiten an der Gitarre machte Michael Hughes nur sehr sparsamen Gebrauch.

Im Gegensatz zu den kernigen, auch humorvollen Stücken wirkten die die zarten, innigen wie Be The Man mit Begleitung am Konzertflügel besonders intensiv. Das Lied zum Suizid eines Homosexuellen, der die Ausgrenzung durch seine Familie nicht ertrug, ist eins ihrer stärksten und war sicher nicht nur für mich ein Höhepunkt. Gedruckte Anmerkungen zu den Songs auf Deutsch waren dankenswerter Weise vorher verteilt worden.

Am Schluss gab es einen Einblick, wie wohl Kinder-Workshops von Mitgliedern der Young ‘Uns in Schulen aussehen. Der Bauer geht zum Markt und kauft ein Tier, das mit entsprechenden Bewegungen und Geräuschen zum Leben erweckt wird…

Als letzte Zugabe war Billy Braggs legendäres Between The Wars zu hören, wiederum großartig gesungen. „Wunderbar…!“ schnappte ich beim Rausgehen auf, die Schlange am Signiertisch war lang. Bleibt zu hoffen, dass dies nicht der letzte Besuch der Drei im Sauerland war.

Stoff für das nächste Album wird bereits gesammelt. Auf ihren letzten Konzerten in England hatten die Young ‘Uns einen Koffer aufgestellt, in den Notizzettel („tiny notes“) mit Themenvorschlägen eingeworfen werden konnten. 250 wurden schon ausgefüllt…